Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkrieges
Evang. Heilandskirche Dornbirn, 1. August 2014
Ansprache von Pfarrer Michael Meyer zu Mat. 5, 9 in der Evang. Heilandskirche in Dornbirn am 01.08.2014
Liebe Gemeinde!
Wir haben es gehört: Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mat. 5, 9). Das ist jesuanische Ethik: Es gibt keinen gerechten Krieg! Gottes Reich bricht sich nicht mit Gewalt Bahn, sondern durch das friedliche, mutige Einstehen für Frieden und Gerechtigkeit.
Vorbilder, die uns heute daran erinnern sind Martin Luther King und Mahatma Ghandi, mit ihrem kompromisslosen gewaltlosen Widerstand.
Menschen, die zur Zeit des 1. Weltkrieges lebten und die dem Militarismus und Nationalismus ihrer Zeit widerstanden sind rar. Im Vorfeld des ersten Weltkrieges ist wohl besonders an Bertha von Suttner zu erinnern, die mit ihrem Buch „Die Waffen nieder!“ als Pazifistin und Sprachrohr der aufkeimenden Friedensbewegung 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt. „Die Religion rechtfertigt nicht den Scheiterhaufen, der Vaterlandsbegriff rechtfertigt nicht den Massenmord, und die Wissenschaft entsündigt nicht die Tierfolter.“1, hat Berta von Suttner geschrieben.
Als am 28. Juni 1914 das österreichische Thronfolgerpaar Franz Ferdinand von Habsburg und Sophie von Hohenberg dem Attentat eines proserbischen Extremisten zum Opfer fielen, waren es die monarchistischen, konservativen, kaisertreuen Kräfte, die dem Krieg das Wort redeten.
Bischof Franz Egger in Innsbruck vertrat folgende Ansichten:
Österreich wurde der Krieg aufgenötigt.
Der Krieg war unvermeidlich.
Österreich hat viel zu lange „Langmut“ gegenüber den Serben gezeigt.
Österreich kämpft für den Fortbestand von Recht und Kultur.
Der Krieg der Österreicher ist gerecht und heilig.
Der Krieg verlangt Opfer.
Gott steht auf der Seite Österreichs.
Durch Buße für „unsere Sünden“ werde der Segen des Himmels und der militärische Segen erreicht. 2
Evangelische Christen waren nicht besser. Auch sie redeten dem Krieg das Wort. Der Evangelische Theologe Adolf von Harnack sagte 1914 in Berlin: „Wenn jetzt der Krieg mit ehernen Schritten entgegenkommt, wie nehmen wir ihn auf? Wir brauchen nur hinzusehen auf die Straße! Ruhig, kräftig und schließlich auch jubelnd. Wir treten in die Zeit der Opferfreudigkeit.“ 3
Der Krieg wurde als eine Art Kreuzzug gefeiert, der den Kirchen volle Gotteshäuser brachte. Thron und Altar verbanden sich in dem Ruf: „Gott mit uns!“
Ursachen, Schuldige und Opfer des ersten Weltkrieges:
Aggressiver Nationalismus, Inhumaner Antipazifismus, Militarismus, Kapitalismus, Schwerindustrielle Massen – Waffenproduktion, Wettrüsten, Imperialistischer Expansionismus, Monarchismus, „Männlichkeitswahn, Heldenkult, Versagen des pazifistischen Internationalismus, Versagen der christlichen Kirchen.
Gesamtverluste – Mittelmächte und Entente:
Todesopfer: Ca. 10 Millionen
Verwundete: Ca. 20 Millionen
Gesamtverluste – Österreich-Ungarn:
Gefallene, Vermisste, Gestorbene: Ca. 1,5 Millionen
Verwundete: Ca. 1,9 Millionen
Gefangene: Ca. 1,2 Millionen (in Russland, Serbient, Italien)
Gesamtverluste Vorarlberg: 5056
Davon – Gefallene: 1652
Vermisste: 742
Weitere Verluste: 2662
Gesamtverluste Deutschland: 2 Millionen
Gesamtverluste Russland: 1,85 Millionen
Gesamtverluste Frankreich: 1,3 Millionen
Gesamtverluste Italien: 0,68 Million
Christus spricht: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt. 5, 9)
Angesichts neu aufkeimenden Nationalismus, Militarismus und Waffenhandel ist auch heute der Ruf Berta von Suttners zu erheben: „Die Waffen nieder!“ Oder sagen wir es mit den Propheten Jesaja und Micha: „Schwerter zu Pflugscharen!“ (Jes. 2, 4).
Unser Friedensgebet heute ist Teil der aktiven Friedensverantwortung in der Christinnen und Christen jegliche Form der Gewalt bekämpfen und einen Weg suchen für einen gerechten Frieden – und den braucht es dringender denn je für diese ganze Welt.
Amen.
Grußwort von Pfr. Paul Riedmann,
(Ökumenebeauftragter der Katholischen Kirche Vorarlbergs)
Erinnern ist heute angesagt. Im Hinblick auf ein Grußwort bei der Aktion „Ökumenisches Friedensschiff“ (28.06.2014) habe ich recherchiert und kam zur Erkenntnis: Die christlichen Kirchen haben damals, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, in vielfacher Hinsicht am Evangelium des Friedens vorbeigelebt. Nicht wenige Geistliche haben ihre Autorität für Kriegsrechtfertigung, zur Stärkung von Nationalismen und zur Unterstützung imperialistischer Bestrebungen und Machenschaften der Staaten missbraucht. Das macht mich und uns heute sehr betroffen.
Nationalistisches Hurra. Zigtausende Christen meldeten sich freiwillig zu den Waffen, manche in patriotischem Taumel, andere wollten gute Deutsche / Österreicher sein und sich beweisen. Sie folgten ohne Bedenken – um nicht zu sagen blind – den Aufrufen der politisch Verantwortlichen und auch den leider Gottes euphorischen Aussagen mancher Bischöfe. (Ich spreche hier für die katholische Kirche).
Einer allerdings schwamm gegen den Strom: Papst Benedikt XV. war ein unermüdlicher Mahner gegen Nationalismus und Krieg. Sein Ruf blieb unerhört.
Schritte zum Frieden. Von 17 Millionen Toten, verkrüppelten und traumatisierten Menschen, zerstörten Landschaften und Gesellschaften ist im Blick auf den ersten Weltkrieg die Rede. In diesem Zusammenhang sagt der Bischof von Fulda und Präsident von ‚Pax Christi Deutschland‘, Heinz Josef Algermissen, in einer Erklärung zum Beginn des Ersten Weltkrieges: „Wir wissen heute, dass die Kirche Schuld auf sich geladen hat“. In demselben Schreiben sagt der Genannte, „dass sich damals Bischöfe in ihrer Verkündigung und theologischen Billigung des Krieges geirrt und verirrt haben.“ (Wir hörten heute Beispiele dafür). Solche Worte eines Bischofs zu hören tut gut und solches Bekennen ist ein erster und wesentlicher Schritt, um entstandene Wunden zu heilen und Frieden zu schaffen.
Mut zur Wahrheit ist von uns Christen und christlichen Kirchen gefordert. Mut zur Wahrheit heißt manchmal auch, „im Sinne des Evangeliums Lüge und Obrigkeitsdenken zu demaskieren“ (so Bischof Algermissen) und sich kriegerischer Politik zu widersetzen – und diese beginnt bereits im Vorfeld bei der Waffenproduktion und beim Waffenhandel, beim Waffenexport. Mut zur Wahrheit heißt schließlich, im Geiste Jesu immer wieder Nationalismen und Ungerechtigkeiten zu überwinden und Schritte der Versöhnung zu tun. Dazu sind wir alle als gläubige Christen und christliche Kirchen im Hier und Heute berufen: Frieden zu schaffen – statt Waffen!